Mein Sprössling besucht nun seit wenigen Wochen die Schule (DE/NRW), eine staatliche Schule. Nun findet dort kein Ethik bzw. praktische Religion mehr statt, weil es nicht mehr Teil des Lehrplans ist. Schon länger nicht mehr. Lehrpersonal dafür gäbe es wohl auch nicht, weil man der Ausbildung zu diesen Unterrichtsinhalten damals zu wenig Zeit gab und diese wohl frühzeitig abbrach.
Es gibt neben dem katholischen und dem evangelischen Unterricht lediglich eine Aufsichtszeit, in der Kinder die keinen Religionsunterricht besuchen betreut, aber nicht unterrichtet werden. Fair enough.
Morgen besuchen alle Klassen der Grundschule einen verpflichtenden Gottesdienst. Am ersten Schultag fand auch einer statt, freiwillig.
Ich bin gelinde gesagt etwas aufgebracht über die Situation. Ich will meinem Kind nicht frühzeitig eine Religion (ganz egal welcher Art) auferlegen. Um ehrlich zu sein bin ich der Meinung, der Staat sollte es aktiv unterbinden, Kindern überhaupt eine religiöse Prägung auferlegen zu lassen, ganz egal welcher Art.
Wie ist eure Meinung dazu? Was war oder ist eure Situation und wie geht ihr damit um?
Edit: Ich habe eben gelesen, dass der Gottesdienst keine Pflicht darstellt (und die Schule die Aufsichtspflicht in der Zeit stellen muss), der Religionsunterricht hingegen schon. Quelle: Schulministerium NRW
Ich mache mir auch Gedanken über sowas und meine Sichtweise ist die: Unsere Gesellschaft ist in sehr weiten Teilen (noch) stark mit den christlichen Traditionen verbunden, Saisonale Bräuche bauen darauf auf usw usw. Man kommt um eine Auseinandersetzung mit den Themen also nicht wirklich herum. Ich glaube, (anders als VL der Rel.Unterricht) prägt der erzwungene Gottesdienstbesuch keinem Kind einen Glauben auf, weil es ja zu großen Teilen gar nicht nachvollziehen kann, was da geredet wird … Man könnte sowas als Chance sehen, dass das Kind Einblick in einen (evtl. auch langsam aussterbende) Brauch unseres Kulturkreises bekommt. Inklusive kritischer Auseinandersetzung mit den Themen. Denn ich glaube, um (auch als heranwachsender Mensch) wirklich eine Position zu finden, braucht es die Auseindersetzung und die findet auch im Erleben der Tradition selbst statt. Das haben ja die meisten von uns irgendwie durch gemacht. Ihr gebt als Eltern damit ja nichts aus der Hand, im Gegenteil, das ist ein guter Anlass um die negativen und positiven Inhalte zu diskutieren, die da vermittelt werden. Für mich persönlich ist das System Kirche auch ein gutes Beispiel, wie in ihrem Kern oft gute Werte missbraucht werden können um einen gigantischen Machtapparat inkl. Missbrauch etc. aufzubauen. Außerdem ist es durchaus sinnvoll, die Grundlagenwerke zu kennen, auf die sich so viele Menschen berufen, ohne Sie in irgendeiner Art zu leben…
Ich versuche das auch nicht zu dogmatisch zu sehen, habe aber so meine Schwierigkeiten damit. Wenn ich Nachmittags frage, wie die Schule war, bekomme ich ein “gut”. Da können wir als Eltern kaum aktiv eine Einordnung der Dinge machen, wie wenn es etwas komisches im Radio oder Fernsehen aufgeschnappt hat. Ja, letzteres passiert auch in unserer Abwesenheit, aber nicht regelmäßig und auch in einer anderen Erlebnisform (singen, Kirche, Gemeinschaft, …)
Diese Auseinandersetzung darf gerne Teil der Schule sein, wie Du es auch beschrieben hast. Dann aber auch für alle Religionen und nicht als praktizierte Ausübung der jeweiligen Konfession.
Bei uns stand diese Frage auch im Raum. Die Aufsichtszeit stellte sich aber als “Bank auf dem Flur” dar. Naja. Unabhängig davon wollten wir unsere Tochter damit nicht aus der Gemeinschaft der Klasse nehmen.
Wir haben zwar eine sehr gesprächiges Kind, aber auch ohne dir Erzählungen kommen immer wieder Basteleien, Lieder oder Erzählungen nach Hause. Diese nutzen wir dann als Aufhänger, um über Figuren wie Jesus oder Noah zu sprechen. Im Grunde sind das für die Kids ja auch erst einmal Typen wie Batman oder Anna und Elsa. Steht halt in irgendwelchen Geschichten so und genau diese Abstraktion kann man den Kinder durchaus auch schon mitgeben.
So werden wir das jetzt auch handhaben (müssen). Neuester hit am Freitag: “Warum hat der König Jesus umgebracht?”.
Warum sowas überhaupt in der Grundschule unterrichtet werden muss entzieht sich mir komplett. Genauso der Umgang in der Schule, wo ein alternatives Programm (“Bank auf dem Flur”) während eines Gottesdienstes nicht mal als Option ausgesprochen wird, obwohl “die Schule die Aufsichtspflicht sicher”-stellen muss. Aber das ist wohl eher ein spezifisches Problem der Schule.
und
beißt sich das nicht etwas? Überspitzt gefragt: Muss mein Kind bspw. ein negatives Ereignis wie eine Flut oder ein Feuer direkt erleben, damit ich da mit ihm drüber sprechen kann?
Mh, beißt sich nicht unbedingt, finde ich…da geht es um einfache sowie extrem abstrakte Themen, manche besser verständlich, manche Metapher Stufe 5000…
Nein, natürlich nicht. Wenn aber z.B. Feuer allgemein eine historisch starke Bedeutung in unserer Gesellschaft hätte und entsprechende Riten immer noch praktiziert werden…dann trägt das vielleicht zur Auseinandersetzung bei… Und das Erlebnis hilft vielleicht auch, einzelne Bereiche zu trennen: Wir haben gesungen, das war eigentlich schön - ja, das ist eigentlich ja auch toll, wie Glaube Kunst geschaffen hat. Die Sache mit der Strafe Gottes macht ein blödes Gefühl - das stimmt, hier wurde jahrhundertelanger Missbrauch an Gläubigen betrieben um den eigenen Machtanspruch zu sichern etc. pp.