Schwarz, Rot und Grün haben sich auf einen Kompromiss verständigt. Investitionen in die Infrastruktur unterliegen doch der Zusätzlichkeit. Dazu sollen 100 Milliarden in den Klimafonds fließen.
Nach Informationen von Tagesspiegel und RND haben sich die Parteien auf folgende Details verständigt: Investitionen in das Sondervermögen für die Infrastruktur sollen der Zusätzlichkeit unterliegen. Darauf hatten vor allem die Grünen gedrungen, weil sie fürchten, dass Union und SPD sonst schon laufende Projekte oder konsumtive Staatsausgaben darüber finanziert hätten. Zudem sollen 100 Milliarden Euro des 500-Milliarden-Sondervermögens in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen. Am Vortag hatte Friedrich Merz den Grünen noch 50 Milliarden dafür in Aussicht gestellt.
Gegen Mittag hieß es aus Verhandlungskreisen, die Verhandlungen seien erfolgreich abgeschlossen. Bei den Grünen wirkt man bereits jetzt sehr zufrieden mit den Zugeständnissen, die erreicht werden konnten. Dass mit dem Sondervermögen nun offenbar keine Wahlgeschenke von Union und SPD finanziert werden sollen, stößt auf Genugtuung. „Merz muss seine Sondierungen jetzt bei Null beginnen“, sagt ein Grüner dem Tagesspiegel.
Genau das meinte ich eben: die Handlungsspielräume im Rahmen der Schuldenbremse behindern auch sinnvolle politische Maßnahmen.
Kann ich so weitestgehend bestätigen, allerdings ist in beiden Strukturen auch ein gewisser progressiver (und junger!) Kern vorhanden, der hart um Erneuerung kämpft, sich allerdings kaum durchsetzen kann. Das Bedienen der größter Wählergruppe als Kernklientel einiger Parteien ist ein stückweit hier eine unvermeidbare Konsequenz der repräsentativen Demokratie, denn die Wählerschaft 65+ ist einfach ein gigantischer Block, ohne den man keine Mehrheiten erreichen kann.
Das ist im Wesentlichen eine Verteilungsfrage und eine Frage der Generationengerechtigkeit (wie verteilen wir die Last des demografischen Wandels) an der Stelle. Wie du bereits erkannt hast, ist hier aktuell eine Lösung kaum möglich, die von den Rentnern nicht begrüßt wird ohne massiv politisches Kapital zu verspielen. Diese Spaltung der Interessen (jung vs alt) zu überwinden und eine Lösung zu finden, die für alle Betroffenen akzeptabel ist, erfordert viel Geschick, aber es gibt Lösungsansätze.
In der Verwaltung lassen sich mit Sicherheit einige Prozesse vereinheitlichen, digitalisieren und beschleunigen, wodurch das ganze kosteneffizienter wird. Man muss allerdings aufpassen, denn das Narrativ der ineffizienten, aufgeblasenen Verwaltung ist etwas zu flach: Es gibt auch viele Bereiche in der Verwaltung die chronisch unterbesetzt und -finanziert sind, wodurch sich einige Prozesse eben so langsam gestalten und eine nachhaltige Verbesserung der Verwaltung unmöglich wird (ein auf Verschleiß gefahrenes System kämpft ums Überleben anstelle sich zu modernisieren). Das Paradoxe an diesen Stellen ist ja, dass eine bessere Finanzierung langfristig wieder zu Kosteneinsparungen führen könnte - besonders wenn man das mit koordinierten Modernisierungs- und Digitalisierungsinitiativen verknüpft.
Was Krankenhäuser, Pflege usw. angeht bin ich auch der Ansicht, dass einige der strukturellen Probleme ganz einfach aus deren privatwirtschaftlichen Strukturierung und damit verbundenen Anreizen herrührt. Ein Krankenhaus muss sich nicht in erster Linie rechnen, sondern in erster Linie für Gesundheit zuständig sein. Entsprechend sollten wir uns auch überlegen, wie der Gesundheitsbetrieb usw. strukturiert werden soll, das ist auch eine Aufgabe der Demokratie.
Für all diese Probleme ist Sparen mMn eher nicht die richtige Sichtweise sondern die der Priorisierung: Wofür wollen wir Geld ausgeben und was wollen wir damit erreichen? Was Subventionen für Dienstwagen usw. angeht gehe ich voll mit, dass man dann auch sagen kanm: Dafür wollen wir kein Geld ausgeben. Warum Subventionieren wir Dienstwägen mit Milliarden an Euros aber die Bahnfahrer sollen über ihre Ticketpreise die Ausgaben der Bahn mitfinanzieren und das DE-Ticket wird 9€ teurer?
Naja wir haben historisch gesehen im Vergleich zu früher die Steuerlast stark umverteilt von den Reichen auf die unteren 90%. Deutschland ist für die Vermögensten ein absolutes Niedrigsteuerland. Gleichzeitig haben wir durch den Rückbau des Sozialstaates (Agenda 2010 und weitere) und Unterdrückung der Verhandlungsmacht von Arbeitnehmern eine Arbeitnehmerschaft, die vergleichsweise wenig Kaufkraft hat und somit auch nicht viel zahlen kann. Die Last fällt also sehr stark auf die Mittelschicht, bei den Unteren ist nicht viel zu holen und bei denen da oben wollen wir uns nichts holen. Steuergerechtigkeit geht anders.
Ich stimme dir bedingt zu, dass Schulden-machen für Investitionen nicht entkoppelt von der Frage der Steuergerechtigkeit und der Verteilungsfrage erfolgen sollten. Aber wenn wir unschöne Kompromisse machen müssen, wäre es besser, sinnvolle Investitionen über Schulden zu finanzieren während auch noch etwas Geld für bullshit rausgeht, anstelle uns kaputtzusparen, weil wir nicht an die Rentner, die Bauern, Dieselfahrer, Vermieter usw. ranwollen. Und realistisch gesehen wird - wenn wir den Haushalt stark einengen - garantiert nicht an dem Klientel XYZ gespart, sondern eher an den Zukunftsinvestitionen, der Bildung etc.
Obligatorisch möchte ich auch anmerken, dass das mit den Rentnern usw. auch nicht so einfach ist. Auch hier gibt es Ungleichheit und Armut, die man berücksichtigen muss. Politik für junge Menschen auf Kosten der Rentner zu machen wäre auch zu flach.
Wir hatten das Konzept schon unter Merkel und der Ampel. Dort hatten wir die Schuldenbremse die das Budget gewissermaßen deckelt. Wie gerade schon beschrieben, priorisieren dann die Parteien ihre Klientel und versuchen Einsparungen dort zu machen, wo sie am wenigsten ihre Klientel verärgern. Das sind für die üblichen Verdächtigen meistens arme Menschen, Migranten, Zukunftsinvestitionen (außer Grüne), Digitalisierung… Eine Fokussierung auf “wichtige Ausgaben” fand dadurch leider nicht statt.
Das funktioniert also leider offensichtlich nicht als Selbstläufer, weil sobald nicht genug Geld für alles da ist, fangen gewisse Parteien lieber an an, dort zusammenzusparen wo es opportun ist, anstelle dort, wo es am sinnvollsten wäre.
Wohl oder übel führt der Kompromiss dazu, dass wir sinnvolle Investitionen nur durchbringen können, wenn “genug Geld für alles” da ist. Etwas anderes könnte nur erreicht werden, wenn der politische Zeitgeist da eine starke Überzeugung mitbringt und eine entsprechende Regierung diese Überzeugungenen teilt. Aber das führt jetzt weit über das Thema Haushalt hinaus.
Eine reformierte Schuldenbremse, welche explizit nachhaltige Investitionen erlaubt, jedoch konsumptive Ausgaben für Wahlgeschenke verhindert, wäre hier mMn ein guter Kompromiss. Dadurch hätten wir faire Handlungsspielräume, die eine konstruktive Regierung nutzen kann um notwendige Investitionen zu tätigen, ohne jedoch bspw. unendliche Wahlgeschenke an Dieselfahrer o.ä. zu ermöglichen. Man hätte genau diese “Zügelung”, von der du schreibst, ohne jedoch die lähmende Wirkung einer Investitionsbremse zu entfalten.
Ich verstehe, warum du das denkst. Ich halte es allerdings für unwahrscheinlich (siehe Haushaltsblockade Ampel durch Union), dass es in Zukunft die nötigen 2/3-Mehrheiten für solche Sondervermögen geben wird, wenn mal eine nicht-unionsgeführte Regierung am Zuge ist. Insbesondere besteht bei künftigen Sondervermögen auch die Möglichkeit, Mogelpackungen für Wahlgeschenke zu schnüren, da Sondervermögen ja komplett an der Schuldenbremse vorbeigeschleust werden (die kommen so ins Grundgesetz und dann hat man den Batzen Geld und kann ihn verwenden wie man eben das entsprendende Gesetz geschrieben hat). Eine, wie oben beschriebene, reformierte Schuldenbremse könnte da Abhilfe schaffen, indem sie zum einen die politische Selbstbedienung für Klientelpolitik verhindert, jedoch sinnvolle Investitionen erlaubt.
Was spricht denn gegen die 10 Jahre, die für den Topf vorgesehen werden? Warum braucht es denn keine Zeitbegrenzung? 10 Jahre?
Die Welt ändert sich grade massiv in kurzer Zeit: Smartphone sowie wir es kennen 20 Jahre her - das ist nicht mehr wegzudenken, Emobility hat den großen Durchbruch mit Modell S vor 12 Jahren - kurz vorm Normal, E-Bike - Durchbruch gerade (mein hidden champion bei eMobility, Homeoffice keine 5 Jahre her. Wer weiß schon was in 10 Jahren ist?
Hast du Angst, dass alle dann schräg gehen? Politik nix mehr hinbekommt und alle sich streiten? Kann sein, kann aber auch ganz anders kommen. Mein Glas ist da halb voll. Deutschland kann Krise. Ich glaube in 10 Jahren oder eventuell früher wird das dann nochmal aufgefüllt.
Weil wir bereits gesehen haben, dass die Schuldenbremse Teil politischer Machtspiele ist. Dadurch wurde bereits massiver Schaden an diesem Land angerichtet - wäre die Ampel nicht krachend gescheitert, hätte die AfD vermutlich weniger Zustimmung erhalten, wir hätten weniger Nährboden für Spaltung/Polarisierung und Hetze und es wären weitaus mehr von den sinnvollen Vorhaben der Ampel umgesetzt worden. Wir haben gesehen, dass sowohl CXU als auch FDP bereit waren mit den dreckigsten Mitteln zu kämpfen. Jetzt zu vertrauen, dass wir nicht ähnliche Probleme in der Zukunft haben werden, weil das linke Lager sich diesmal kompromissbereit gezeigt hat, ist ein Vertrauensvorschuss, den ich der Union nicht ohne eindeutigen Kurswechsel gewähren würde. Die Schuldenbremse hat bereits viel Schaden angerichtet und ich sehe keinen Vorteil in ihrem Fortbestehen in der jetzigen, unreformierten Form.
Ich halte es zudem nicht für ausgeschlossen, dass die AfD in Zukunft eine Sperrminorität im Bundestag haben wird. Falls nächste Legislaturperiode - beispielsweise nach einem harten Crash der Weltwirtschaft dank Trump - nur eine Keniakoalition in Frage käme und die AfD diese Regierung in turbulenten Zeiten über eine solche Haushaltsblockade sabotieren könnte, dann wird es brandgefährlich.
Ich bin Jahrgang 2000. Mir wurde damals in der Schule von meinem Geografielehrer gesagt, ich gehöre zur ersten Generation, die es nicht besser haben wird als ihre Eltern - das hatte ich ihm erst nicht geglaubt. Ich habe mich vor allem kurz vor der ersten Amtszeit Trumps politisiert. Ich bin bei Fridays for Future mitgelaufen, mein Bachelorstudium wurde mir durch Corona erschwert und jetzt haben wir den Salat mit dem Aufstieg des Faschismus im Westen, Putin im Osten, der anstehenden Klimakatastrope und und und.
Seitdem ich politisch interessiert bin werden die großen Krisen - die Klimakrise, die ökologische Krise, die Demokratiekrise, die demografische Krise, die soziale Krise - trotz technologischer Fortschritte und politischer Teilerfolge immer schlimmer, weil wir die Krisen nicht an der Wurzel packen wollen. (Zudem schaffen einige technologische Entwicklungen, bei allen bahnbrechenden Erfolgen in der Medizin o.ä., mindestens so viele Probleme wie sie lösen. Die Welt wäre besser ohne Meta/X, Kinder sind zum Großteil smartphonesüchtig und werden dadurch in ihrer kognitiven und sozialen Entwicklung geschädigt, dank KI sind Suchmaschinen kaum noch nutzbar und meine Studis dieses Semester lösen ihre Übungsaufgaben mit ChatGPT und wundern sich, warum sie durch die mündliche Prüfung fliegen. Technologischer Fortschritt alleine führt uns nicht aus der Krise.)
Bitte verzeih es mir, wenn ich pessimistisch bin, aber ich gehe davon aus, dass wir langfristig einen konstanten und kontrollierten Abstieg aufgrund dieser Krisen hinbekommen werden müssen (allein schon weil die Klimakrise extrem teuer wird) und ein solcher Abstieg geht mit Verteilungskämpfen, Krisenmanagement und zunehmender politischer Polarisierung einher. Und um Krisen vorausschauend zu managen brauchen wir eine unbedingt handlungsfähige Regierung, die nicht durch eine Haushaltsblockade lahmgelegt wird, weil die Union mal eine Wahl verloren hat.
Ich finde wir sollten uns auf harte Zeiten einstellen - wenn wir dann überrascht sind, dass doch alles viel besser kommt ist doch super. Better safe than sorry.